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Freiwilliger Zivildienst macht keinen Sinn

Zerknülltes Papier auf Tischplatte
Zerknülltes Papier: Lernen ade

Zerknülltes Papier auf Tischplatte

Gestern Nacht bekam ich noch die Verlautbarungen von Bundesfamilien­ministerin Kristina Schröder zu einem zukünftigen freiwilligen Zivildienst mit. Mit einer erhofften Beteiligung von 35.000 Teilnehmern im Jahr soll damit ein Teil des Wegfalls der Kräfte in sozialen Diensten von zur Zeit 90.000 Zivildienstleistenden jedes Jahr kompensiert werden. Ich kann dem Vorschlag wenig Sinn abgewinnen. Nachfolgend einige Gründe dafür:

Konkurrenz zum FSJ

Es gibt derzeit einen freiwilligen Zivildienst in Deutschland. Ich kenne ihn unter dem Namen Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), zusammengefasst mit dem Freiwilligen Ökologischen Jahr im Freiwilligendienst. Das FSJ – so die bekanntere Abkürzung – dauert zwischen 6 und 18 Monaten, in Ausnahmefällen auch 24 Monate. Es soll pädagogisch begleitet werden, und kommt mit Kost und Logis sowie einem Taschengeld daher. Damit ist es etwas weniger attraktiv als der Zivildienst; bei dem es immerhin noch Sold gibt, was aber mit weiteren Leistungen gerade mal den Betrag von monatlich 500 Euro erreicht, der als zukünftige Entlohnung für den freiwilligen Zivildienst angedacht ist. Die Entlohnung hat den Vorteil für die Dienstleistenden, dass Beiträge zu den Sozialversicherungen gezahlt werden.

Mitnahmeeffekte zu Lasten des FSJ

Das vorgeschlagene Konzept eines freiwilligen Zivildienstes halte ich für wenig geeignet zusätzlich ehrenamtliche Helfer für soziale und ähnliche Aufgaben zu gewinnen. Die Zielvorgabe von 30.000 Freiwilligen halte ich für nicht realistisch, was zusätzliche Kräfte betrifft. Ich rechne vielmehr mit einem Mitnahmeeffekt, der verständlich und auch irgendwie wünschenswert ist. Anstatt ein FSJ zu leisten, was bisher auch den Zivildienst ersetzen kann, wird dann der freiwillige Zivildienst geleistet, da man sich finanziell und auch hinsichtlich seiner
Versicherungsbeiträge und -anwartschaften besser steht. Da wird nur
umverteilt, aber nichts zusätzlich gewonnen. Der freiwillige Zivildienst – mit auch weiteren attraktiven Arbeitsbereichen wie „Kultur“ – wird das FSJ kannibalisieren. In der Summe wäre nichts gewonnen.

Ehrenamt wird insgesamt nicht gestärkt

Das Konzept des freiwilligen Zivildienstes halte ich auch wenig geeignet, das zivilgesellschaftliche Engagement in der konkreten Ausformung ehrenamtlicher sozialer (oder ökologischer) Arbeit zu stärken. Besser wäre es, etablierte und anerkannte Formen wie das FSJ zu stärken. Politisch wird immer die Forderung erhoben, dass Ehrenamt zu stärken. Dann tun wir das doch mal mit ein paar Maßnahmen im Bereich des FSJ, aber auch der Vereinsarbeit. Die Berücksichtigung bei Sozialversicherungen ist ausbaubar.. Hier muss was geschehen und nicht bei der Überführung eines auslaufenden Konzeptes, das zudem auf ein begrenztes Engagement in einem bestimmten Alter beschränkt ist. Wir müssten vielmehr etwas tun für das ehrenamtliche Engagement in unserer Gesellschaft insgesamt.
Sozialversicherungen verlieren nicht

Mit der Abschaffung der Wehrpflicht wird neben dem Zivildienst auch der damit verbundene Apparat nicht mehr benötigt. Mit dem freiwilligen Zivildienst könnte dieser weiter beschäftigt werden. Hier könnte aber auch der Versuch gemacht werden, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Eine kleine Behörde zur Registrierung von Kriegsdienstverweigerern dürfte genügen. Das Geld, das den Sozialversicherungen aufgrund des Wegfalls der Beiträge für die Zivildienstleistenden entgeht, wird anderweitig wieder hereinkommen. Im simpelsten Fall wird der Ausfall durch einen höheren Bundeszuschuss ausgeglichen.

Zivildienst und Arbeitsmarkt

Und dann höre ich immer, dass der Zivildienst nicht zu Lasten des Arbeitsmarktes gehe. Ich habe selber Zivildienst geleistet und kann darüber nur lachen. Vor über 15 Jahren kannte ich schon Rechnungen von Zivildienststellen, nach denen drei Zivis günstiger seien als eine Hilfskraft. Der Zivi sei zwar öfter auf Lehrgang oder anderweitig verhindert, aber betriebswirtschaftlich rechne sich das noch immer. Für die Genehmigung einer (weiteren) Stelle kriegte man das schon passend dargestellt, dass der eine Zivis keinen Arbeitsplatz vernichte. Betriebswirtschaftlich macht für viele Institutionen der Einsatz von Zivildienstleistenden Sinn. Daher kamen in den letzten auch immer Klagen im Zusammenhang mit Kürzungen der Dauer des Wehrdienstes. Die Folge war jeweils auch eine Kürzung des Zivildienstes. Einkalkuliert die Anlern- und Schulungszeiten rechnete sich der Einsatz von Zivis weniger. Ich erwarte von einer Abschaffung des Zivildienstes sogar einen positiven, wenn auch geringen, Effekt für den Arbeitsmarkt. Einige Zivildienststellen werden mit regulären Beschäftigten, gerade im gering qualifizierten Bereich, besetzt werden müssen. Den Verlust an dem, was Zivildienstleistende jedoch insgesamt bisher geleistet haben, wird dies nicht aufwiegen. Aber die regulären Jobs leisten auch wieder Beiträge zu Sozialversicherungen. Ich bin sogar der Meinung, dass der Einsatz von Zivildienstleistenden betriebswirtschaftlich meist Sinn ergibt, volkswirtschaftlich jedoch neutral, wenn nicht schädlich ist. Er ist ja auch nicht als sozialer Dienst für ein Mehr geschaffen, sondern als Ersatzdienst für Kriegsdienstverweigerer, die ihre Dienstpflicht nicht regulär in der Bundeswehr (oder Organisationen wie THW bzw. bei der Polizei) erfüllen. Es bleibt als Wert teilweise die menschliche Qualität der Arbeit an einigen Stellen – aber auch nicht allen.

Abhängigkeiten und Vorteile

Der Zivildienst hat nach seiner Einführung und durch die Jahrzehnte danach immer mehr vorgebliche Abhängigkeiten von denen geschaffen, die ihn leisten müssen. Sind da wirklich immer zusätzliche soziale Dienste, die da geleistet werden? Ich hab da aus eigener Erfahrung berechtigte Zweifel. Aber wir haben in Deutschland kein Problem mit einem notwendigen freiwilligen Engagement für ein Jahr, wir haben generell Probleme mit der Bereitschaft für ehrenamtliches Engagement. Und das ist wichtig, da es zum einen unsere gesellschaftlich menschlicher macht, aber zum anderen auch schlicht Geld spart – und zwar uns allen. Für manche Leistung wäre das Geld nicht da – gerade im sozialen Bereich. Als Beispiel ziehe ich die Freiwilligen Feuerwehren heran. Ohne den Einsatz der Feuerwehrmänner und -frauen der Freiwilligen Feuerwehren müssten wir in Deutschland deutlich mehr hauptberufliche Feuerwehrmänner anstellen, die unsere Kommunen bezahlen. Und ein Mischsystem aus Teilen hauptberuflicher und ehrenamtlicher Feuerwehren scheint mir die beste und effizienteste Form zu sein. Die hauptamtlichen Kräfte bilden das Rückgrat eines solchen Systems, sie tragen die dauerhaften Lasten und werden bei Bedarf durch Freiwillige verstärkt. Hier ist durch die Art der Tätigkeit selber, aber auch durch die Bereitstellung der eigenen Arbeitskraft ein Dienst für die Allgemeinheit zu erkennen. Und so etwas brauchen wir mehr. Wir brauchen eine andere Einstellung in unserer Gesellschaft dazu und das erreichen wir durch mehr ehrenamtliches Engagement, das auch in geeigneter Form honoriert wird. Honoriert, nicht nur oder ausschließlich durch eine symbolische Entlohnung, sondern durch andere Anreize. Hier ist vieles denkbar.
Ehrenamt stärken ist richtig, aber die Fortführung des bisherigen
Zivildienstes als weiteren Freiwilligendienst in Konkurrenz zu bestehenden Angeboten ist nicht sinnvoll. Besser als eine Konkurrenz zu FSJ & Co. zu etablieren, wäre es, diese durch die für den freiwilligen Zivildienst vorgesehnen Gelder zu entlohnen. Anerkennung für Ehrenamtler ist auch denkbar.

Nach dem Vorschlag zur Kürzung des Elterngeldes ist dieser Vorschlag eine erneute Enttäuschung aus dem Haus der Bundesfamilienminsterin Kristina Schröder. Haben da Beamte die Vorlage verfasst, die um Stellen und Budgets bangen.

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