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Müllderby Ruhr: Wo wird zu welchem Preis verbrannt?

Kipper vor Müllbunker einer Müllverbrennungsanlage
Kipper vor Müllbunker der Müllverbrennungsanlage RZR in Herten

Hausmüll ist ein Geschäft. Ob es ein gutes oder schlechtes Geschäft ist, sei dahingestellt. Es wird auf jeden Fall viel Geld bewegt, denn schnell kommen Tausende an Tonnen zusammen. Verträge zur Müllbeseitigung haben oft eine lange Laufzeit und bewegen Millionen.

Kipper vor Müllbunker einer Müllverbrennungsanlage

Kipper vor Müllbunker der Müllverbrennungsanlage RZR in Herten

Rahmenbedingungen
Seit einigen Jahren darf Hausmüll nicht mehr unbehandelt auf Deponien. Die klassische Kippe gibt es nicht mehr. Der Müll wird in Müllverbrennungsanlagen, aber auch getarnt in sogenannten EBS-Kraftwerken, verbrannt. Dabei wird nicht nur der Müll verascht, sondern auch Strom und (Fern-)wärme gewonnen. Metalle werden aussortiert, die Schlacke aus den Öfen aufbereitet.
Diese Vorgaben gestalten den Markt. Der Hausmüll muss mineralisch/thermisch verwertet werden. Allerdings sinkt die anfallende Menge jedes Jahr aufgrund Müllvermeidung, wachsenden Erfolgen bei der Weiterverwertung und einer schrumpfenden Bevölkerung. Geld fließt für die Beseitigung des Abfalls, für den gelieferten Strom und die Wärme. Die Anteile an den Gesamteinnahmen variieren. Die permanente Auslastung der Öfen ist wichtig, denn die Aufteilung der Fixkosten auf eine möglichst große Müllmenge lässt den Preis pro Tonne sinken.
Gab es vor einigen Jahren zu geringe Kapazitäten für die Müllverbrennung, gibt es derzeit Überkapazitäten. Das drückt den Preis am freien Markt für die Mengen, die nicht durch langfristige Verträge gesichert sind erheblich.

Müllverbrennungsanlage im Emscherbruch

Müllverbrennungsanlage im Emscherbruch, Herten: Rohstoff-Rückgewinnungszentrum Ruhr (RZR)

Abfallwirtschaftsverband EKOCity

Für 20 Jahre sind die Mitgliedsommunen des Abfallwirtschaftsverbandes EKOCity an diesen gebunden – bis 2012. Die Kreise Mettmann, Recklinghausen, Ennepe-Ruhr, die Städte Herne, Bochum, Wuppertal und Remscheid verbrennen ihren Müll gemeinsame in den Müllverbrennungsanlagen (MVA) in Herten und Wuppertal. Das erspart einigen Städten eine eigene MVA. Die Hertener MVA – Rohstoffrückgewinnungszentrum Ruhr (RZR) – gehört der Abfallwirtschaftsgesellschaft Ruhrgebiet mbH (AGR), einer 100 %-igen Tochter des Regionalverbands Ruhr (RVR). Die Wuppertaler MVA gehört der AWG Abfallwirtschaftsgesellschaft Wuppertal mbH. Für die Betreiber der MVAs sind langfristige Verträge eine gute Sache. Eine permanente Auslastung ist gegeben. Das Problem sinkender Abfallmengen konnte bisher durch die Akquise neuer Mengen aus den Reihen der Mitglieder kompensiert werden. So scheidet die zum Kreis Recklinghausen gehörende Stadt Gladbeck aus dem Verbund der in Essen-Karnap verbrennenden Städte aus. Der Kreis Recklinghausen wird die Gladbecker Müllmengen zusätzlich einbringen. Aus ähnlichen Gründen steigt auch die aus Bochum stammende Menge. Bei weiter sinkender Müllmenge werden neue Müllmengen weiterer Partner benötigt.

Karnap

Die Entsorgung einer Tonne Hausmüll kostet für die Kommunen des EKOCity-Verbandes zurzeit etwa 145 € pro Tonne (=Mg). Fein raus sind bisher die sogenannten Karnap-Städte. Sie verbrennen in einem von ihnen finanzierten und von RWE betriebenen Müllheizkraftwerk (MHKW) in Essen-Karnap. Dafür bilden Essen, Mülheim an der Ruhr, Gladbeck, Bottrop und Gelsenkirchen die ‚Firma Verwertung und Entsorgung Karnap-Städte Holding GmbH‘ (VEKS). Am Ende der Vertragslaufzeit über das von RWE betriebene MHKW Essen-Karnap wird es der RWE gehören. Bis dahin verbrannten die Karnap-Städte die Tonne Müll dort für ca. 38 €. Im Vergleich zum Tonnenpreis im EKOCity-Verbund, sind dies 107 € mehr. RWE muss weitere Einnahmen aus dem Verkauf von Strom und Wärme generieren. RWE hat angeboten, die Müllöfen weiterhin in Abhängigkeit von einigen Nebenbedingungen für einen Preis zwischen 70 und 79 € pro Tonne zu betreiben. Den Karnap-Städten war dies offenbar zu teuer, wie auch ein Kauf der Anlage. Und daher suchen sich diese Müllmengen einen neuen Weg. Als erste haben Bottrop und Gelsenkirchen nun vor, ihre Müllmengen auszuschreiben.

Ausschreibung der Stadt Mülheim an der Ruhr

Die Stadt Mülheim an der Ruhr wird nun ihre jährliche Müllmenge zur Verbrennung „europaweit“ ausschreiben. Es handelt sich um 55.000 t/a, die in Teillose – vermutlich ein größeres und ein kleineres Los – aufgeteilt werden sollen. Bisher durfte Mülheim 105.000 t/a in Karnap verbrennen, allerdings waren die Mengen in der Vergangenheit stark rückläufig. Da die zukünftige Entwicklung nicht absehbar ist, erklärt sich folgende Strategie: Ein größerer Teil wird zwecks Entsorgungssicherheit auf etwa 10 Jahre vergeben. Die leicht variable Restmenge zu anderen, kurzfristigeren Konditionen.
„Europaweit“ ist die Ausschreibung, da sie nach EU-Recht erfolgen muss. Allerdings ist die Ausschreibung räumlich begrenzt. Klingt komisch, ist aber so. Entsprechend Vorgaben aus dem Landesabfallgesetz soll die Müllverbrennungsanlage, die den Zuschlag bekommt, aus NRW stammen. Das dient der Vermeidung langer, umweltbelastender Mülltransporte. Mit Blick auf die Sammlung des städtischen Müllbetriebs soll eine Anlieferstelle maximal 25 km entfernt sein. Das kann die Anlage sein, muss sie aber nicht. Da auch Transporte Kosten bedeuten, schränken die Vorgaben den Kreis der Bieter ein. Ich bin gespannt, wie das Bieterverfahren ausgeht. Werden die Mülheimer einen Preis unter dem der umgebenden Müllverbrennungsanlagen, unter 100 €/t und sogar unter dem RWE-Angebot erreichen? Letzteres empfände ich als sensationell. So dramatisch kann ich mir die Überkapazitäten vorstellen. Es käme meines Erachtens nur RWE zu solchen Preisen in Frage. Abwarten. (vgl. Vorlage der Stadt Mülheim 12/423-1)

Interesse an den Müllmengen

Die Mülheimer und Bottroper Kapazitäten sind auch für die Anlagen im EKOCity-Verbund interessant. Sie könnten helfen die verbrannte Menge konstant zu halten – selbst ohne Mitgliedschaft im Abfallwirtschaftsverband. Politisch ist es aber schwer vermittelbar, dass eine Stadt weniger bezahlen soll als eine andere, auch wenn beide in der gleichen Anlage verbrennen. Aber es gibt auch weitere Anlagen im Ruhrgebiet, die von anderen Kommunen, aber auch zusammen mit Privaten, betrieben werden. Etwas Markt ist vorhanden. Daran wird sich ablesen lassen, wie viel geringer die Verbrennungskosten sein könnten. Wenn sich denn ein geringerer Preis bei den Ausschreibungen realisieren. Aber der Preis für einige Wenige ist angesichts von Kapazitätsfragen marktbedingt nicht immer Preis für alle.
Die Mülheimer und Bottroper Ausschreibungen sind über die Stadtgrenzen hinaus von Interesse. Ich erwarte ein Derby von Bietern, ohne dass ich erwarte, dass die alle nahe bei den Erwartungen in den Rathäusern der beiden ausschreibenden Städte liegen.

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