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Politik

Weshalb die Deutsche Post weiß, wen Du wählst

Deutsche Post - Leitfaden für Wahlkämpfer
Dialogmarketing-Broschüre der Deutschen Post für Wahlkämpfer

Die Deutsche Post wirbt bei Parteien damit, dass sie „potenzielle Wählerschicht als auch Nichtwähler exakt lokalisieren“ könne. Die ‚Bild am Sonntag‚ vermittelt den Eindruck, dass Adressdaten von Wählern an Parteien verkauft (‚verhökert‘) werden.

Was stimmt denn nun? Und woher weiß die Deutsche Post überhaupt, wen ich wähle?

In meinem Archiv habe ich eine Broschüre der Deutschen Post dazu. Leider ist das Erscheinungsdatum nicht klar. Die Titel der Broschüre lautet: Menschen erreichen. Wähler aktivieren. Stimmen sichern. – Wie Dialogkommunikation Sie im Wahlkampf unterstützt. Ein Wahlkampfleitfaden.

Deutsche Post: Die Paletten der ‚Direktkommunikation‘ per Brief

Und da sind dann in der Broschüre die Dienstleistungen dargelegt, die angeboten werden. Das umfasst Beratung und ggf. sogar Gestaltung des Materials, das versendet werden soll. Und am Ende geht es ja um den Verkauf der Versanddienstleistung. Das ist da Kerngeschäft der Deutschen Post. Und da wird normale Infopost angeboten. Die Post geht am Enden an (s. S.12):

Geeignete Wählergruppen für Dialog-Maßnahme:

  • Alle Bürgerinnen und Bürger
  • Bürgerinnen und Bürger in ausgewählten Gebieten
  • parteiaffine Bürgerinnen und Bürger
  • Nichtwähler
  • Erst- und Jungwähler
  • Senioren
  • Sonstige (Briefwähler, Unternehmer, Spender, Mitglieder)

Kein Hexenwerk: Adressen von Erstwählern und Senioren

Parteien können vor Wahlen Adressdaten von Einwohnermeldämtern abfragen. Das regelt das Bundesmeldegesetz (BMG) in §50:

(1) Die Meldebehörde darf Parteien, Wählergruppen und anderen Trägern von Wahlvorschlägen im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen auf staatlicher und kommunaler Ebene in den sechs der Wahl oder Abstimmung vorangehenden Monaten Auskunft aus dem Melderegister über die in § 44 Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Daten von Gruppen von Wahlberechtigten erteilen, soweit für deren Zusammensetzung das Lebensalter bestimmend ist. Die Geburtsdaten der Wahlberechtigten dürfen dabei nicht mitgeteilt werden. Die Person oder Stelle, der die Daten übermittelt werden, darf diese nur für die Werbung bei einer Wahl oder Abstimmung verwenden und hat sie spätestens einen Monat nach der Wahl oder Abstimmung zu löschen oder zu vernichten.

Parteien und Wählergruppen benötigen die Deutsche Post dafür nicht.

Magie? Adressen parteiaffiner Wähler und Nichtwähler

Auch die Auswahl von Gebieten, ist kein Hexenwerk. Wer seine Wähler mobilisieren will, kennt die Kommunen und Wahlbezirke, die seine Hochburgen bilden. Dazu liegen die letzten Wahlergebnisse als Basis vor. Analysen der Wählerwanderungen zeigen, wie viele Wähler potenziell gewonnen werden können. Das Angebot der Post ist hier trivial.

Das gilt auch für Nichtwähler und Protestwähler. Hier helfen Zeitreihenvergleiche. Sehr alte Techniken der Wahlgeographie kommen hier zum Einsatz. Das ist ursprünglich mal in Frankreich entstanden. In den USA kommt das mehr zu Anwendung. In Deutschland ist so etwas in der Politikwissenschaft verpönt, wie allgemein das Befassen mit den Details und der Struktur von Wahlergebnissen. Die deutsche Politikwissenschaft zieht Feuilletonist heran und zielt nicht auf die Beratung von Parteien und Kandidaten. Dennoch finden diese – recht einfachen – Techniken Anwendung. Es gibt nur keinen wissenschaftlichen Diskurs dazu. Ich habe selber Analysen für mehrer Großstädten mit entsprechenden Karten gefertigt.

Ganz einfach ist das: In Deinem Wahlbezirk wählen beispielsweise 35 % aller Wähler die Partei A. Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Du die Partei A wählst 35 %. Damit kann begonnen werden.

Magie: Kreuzen statistischer Wahrscheinlichkeiten

Hier folgt, was ich darüber weiß bzw. wie ich das einschätze. Hier müssten mehr Belege ran.
Die Deutsche Post bzw. ihre zuständige Tochtergesellschaft arbeitet meines Wissen mit einem Wahrscheinlichkeitsindex. Das ist eine Zahl zwischen 1 und 100, die für ein Gebäude vergeben wird. Achtung! Es werden demnach nicht Personen oder Haushalte fokussiert. Eine Zahl zwischen 1 und 100 entspräche dann wieder einer Darstellung in Prozenten.

Das Gebäude, in dem ich wohne hat 7 Mietparteien. Hier wohnen 18 Personen. Das ergibt eine durchnittliche Haushaltsgröße von 2,57. Folglich leben hier vermutlich Menschen mit Kindern.
Das Partei A besonders von Familien mit Kindern gewählt wird, wird der Index von 35 auf 37 erhöht. Diese +2 Punkte sind im Beispiel willkürlich. Es bedarf einer Analyse, wie stark einzelne Faktoren gewichtet werden.

Dort wo ich wohne, haben die Menschen viele Autos. Die Quote ist im Vergleich zu anderen Gebieten höher. Partei A gilt als autoaffin, also wird der Index für mein Gebäude auf 39 erhöht.

Falls viele Bürgerinnen und Bürger jüngst von Arbeitslosigkeit betroffen sind, zeigt sich das in einer Statistik. Ebenso könnte auch die Interventionszahlen des Jugendamtes herangezogen werden, falls sie öffentlich verfügbar ist. Wo das Jugendamt besonders häufig aktiv wird, wirkt sich dass auf die Wahrscheinlichkeiten der Partei A aus – oder auf die anderer Parteien.

Das sind aber immer nur Wahrscheinlichkeiten! Es ist zu erwarten, dass sogar für ein Gebäude zwei Wahrscheinlichkeiten für zwei andere Parteien sehr hoch sind. Und die örtlichen Parteifunktionäre und Wahlkämpfer können selber oft sehr gut einschätzen, wie das Wählerverhalten vor Ort ist. Aber auf einer Makroebene geht das nur noch über statistische Wahrscheinlichkeiten.

Wahrscheinlichkeiten für Anschriften von Straßen und Gebäuden, nicht von Wählern!

Das sozialwissenschaftliche, empirisch-statistische Versprechen hinter dem Angebot der Deutschen Post, besteht darin, auf einem sehr kleinen Gebiet – Straßenzüge oder sogar einzelne Gebäude – Wahrscheinlichkeiten für eine bestimmte Wahlentscheidung zu geben. Über den einzelnen Wähler sagt das nichts aus. Im Vergleich, was inzwischen in Sozialen Medien und insbesondere bei Facebook möglich ist, ist das sehr begrenzt.

Und so sagt, wie zu Anfang zitiert, die Deutsche Post nur etwas zur Wählerschicht.

Diese Wahrscheinlichkeit wird für einen Wahlkampf extra für eine Partei ermittelt. Er wird nicht pro Person oder Haushalt ermittelt. Der Indexwert zieht nicht mit um, wenn ich mir eine andere Wohnung suche. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich in ein ähnliches Milieu ziehe. Ganz anders aber die Kinder hier in den Haushalten, die nach Ausbildung oder zum Studium alleine wohnen wollen. Und das am Anfang wahrscheinlich in Wohngebieten mit günstigen Mietwohnungen, in den schon viele Singles allein wohnen. Das könnte ihr Wahlverhalten beeinflussen, aber es beeinflusst den Indexwert des Gebäudes in dem sie wohnen. Und das Gebäude hat eine Anschrift.

Fazit: Es geht um die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Partei in einer Straße, einem Straßenabschnitt oder einzelnen Gebäude mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die eine oder die andere Partei wählt bzw. nicht wählt. Das ist eine Eigenschaft dieser Immobilieneinheit und nicht der Personen, die dort wohnen. Einzelne Umzüge verändern diesen Wert nicht. Der Wert wird empirisch aus Daten und über Theorien zur Interpretation dieser Daten errechnet. Als Instrument verspricht die Deutsche Post den Parteien damit eine Adressierung ihrer gewünschten Zielgruppe. Genauso, wie sie Firmen aus diesen Daten Kunden zusagt. Kunden, die Bedürfnisse haben, zum Beispiel weil sie minderjährige Kinder haben.

Das entspricht der Aufgabe von Marktforschungsinstituten. Und im Leitfaden heißt es dazu:

Durch die Kooperation mit dimap können wir Ihnen Haushalte mit unterschiedlichen Affinitäten zu ihrer Partei anbieten. Die Deutsche Post übernimmt den zielgenauen Versand an einzelner Häuser, Straßen oder Stadtteile, die Sie im Vorfeld ausgesucht haben. Dadurch vermeiden Sie Streuverluste und sparen Kosten.

Infratest dimap ermittelt die ARD seit 1997 monatlich den Deutschlandtrend, ein politisches Meinungsbild für die Bundesrepublik.

Übrigens „vermietet“ die Deutsche Post Anschriften nur. Sie übernimmt den Versand, gibt die Anschriften aber nicht heraus. Anders als die Einwohnermeldeämter.


Vergleiche auch Beitrag Wie die Post Wählerdaten an Parteien verkauft.

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